Unkraut, oder doch Heilpflanze und Hilfe bei Wechseljahrbeschwerden?
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Ehrentag des Unkrauts – Weed Appreciation Day
Ja, den gibt’s tatsächlich! Und zwar am 28. März. Unsere Klimawechselbotschafterin Gerit Fischer ist Ernährungswissenschaftlerin und Expertin für Wildkräuter. Wir haben Sie gebeten, ein paar "Unkräuter" vorzustellen:
Das Wort „Unkraut“ ist ja „politisch unkorrekt“ und viele sagen lieber „Beikräuter“. Dabei ist es lediglich eine Frage der Perspektive - sofern sie das Gemüse bedrängen, sind sie unerwünscht, also Un-Kraut. Vieles davon werfe ich allerdings nach dem Jäten nicht weg - oder besser gesagt: Ich jäte nicht, ich ernte.
Was sind nun die gefürchtetsten Unkräuter? An allererster Stelle steht zweifellos der Giersch (oder „Erdholler“). Danach kommt gleich die Brennnessel. Auch gegen die Vogelmiere wurde schon vor Jahrzehnten ein regelrechter Rachefeldzug gefahren. Dem Löwenzahn wird sehr häufig der Kampf angesagt und im englischen Rasen stört sogar das Gänseblümchen.
Alle genannten Un-Kräuter sind kulinarisch äußerst interessant, die ersten drei taugen sogar - aufgrund ihrer Masse - als Wildgemüse! Ich gebe zu, diese Kräuter durch Aufessen im Zaum zu halten, wäre ein naives Vorhaben. Sie treiben natürlich munter nach. Dennoch könnte man ihnen vielleicht ein wenig positiver gegenüberstehen, wenn man sie kulinarisch zu schätzen wüsste. So sind Giersch und Brennnessel (z. B. in Kombination mit Taubnessel und/oder Bärlauch) ein toller Wildspinat-Mix. Botanisch haben sie nichts mit Spinat gemeinsam, sehr wohl aber hinsichtlich der Verwendungsmöglichkeiten. Alle fünf sind auch roh genießbar. Bei der Brennnessel empfiehlt sich jedoch ein Überbrühen mit kochendem Wasser, damit die Brennhaare platzen und nicht mehr stechen können.
Weil das Gänseblümchen heuer Heilpflanze des Jahres ist, soll es auch mal Unkraut sein dürfen - Ehre, wem Ehre gebührt! Solange das Gänseblümchen nicht blüht, wird es auch kaum erkannt und ebenso gnadenlos aus den Beeten verbannt, wie Brennnessel oder Giersch.
Für Frauen im Wechsel sind die fünf genannten Un-, Bei-, Wild- oder Heilkräuter sehr empfehlenswert. Sie sind zwar keine „Frauenkräuter“, wie etwa Frauenmantel, Schafgarbe oder Beifuß, können aber bei verschiedenen Befindlichkeitsstörungen helfen, sei es als Nahrung, oder als Medizin. Generell sind Wildkräuter in diesem Lebensabschnitt von besonderem Interesse, nämlich aufgrund der meist hohen Konzentration an Bitterstoffen, Ballaststoffen und Antioxidantien. Hier ein kurzer Blick auf die charakteristischen Eigenschaften.
Brennnessel - Urtica dioica/Urtica minor
Die Brennnessel ist, neben dem Schachtelhalm, eine unserer kieselsäurereichsten Pflanzen. Ihre Brennhaare sind daraus aufgebaut. So hilft die Brennnessel, der Osteoporose vorzubeugen, denn für robuste Knochen ist viel mehr nötig als Kalzium. Für die Knochengesundheit brauchen wir u.a. eine gute Versorgung mit Vitamin C, Magnesium und Kieselsäure. Alle drei sind in der Brennnessel reichlich vorhanden.
Die Früchte der weiblichen (!) Brennnesselpflanzen sind eine gute Quelle an Phytohormonen und gelten daher als hormonelles Tonikum und als Verjüngungsmittel. Überhaupt ist die Brennnessel ein großer Erneuerer, da sie Blut und Lymphe reinigt und das Bindegewebe entschlackt. Das stellt wiederum eine gute Prophylaxe für Cellulitis, Parodontose und schlaffe Haut dar. Bei einer Neigung zu Wassereinlagerungen kann die Brennnessel helfen, dieses überschüssige Wasser auszuleiten.
Giersch - Aegopodium podagraria
Giersch regt die Niere an, wirkt also bei Flüssigkeitsansammlungen ähnlich entwässernd wie die Brennnessel. Dabei erhält er gleichzeitig den Kalium-Spiegel aufrecht, da er sehr reich an diesem Mineralstoff ist. Die Hauptindikationen sind Gelenksleiden, wie Rheuma und Gicht. Durch seinen hohen Gehalt an Vitamin C und Betacarotin sowie Mineralstoffen, kräftigt er das Bindegewebe und nährt das Auge.
Nicholas Culpeper, ein englischer Arzt, Botaniker und Astrologe im frühen 17. Jahrhundert, sah im Giersch die Eigenschaft, „Verhärtungen aufzulösen“ und die „Säfte zu bewegen“. Er ordnete die Pflanze dem Merkur zu , dem Meister der Säfte und des Fließens, übrigens auch des Geldflusses.
Geschmacklich erinnert der Giersch an seine Verwandten, etwa Petersilie oder Sellerie.
Vogelmiere - Stellaria media
Auch die kleine, unscheinbare Vogelmiere liefert reichlich Kieselsäure und Vitamin C. Der Cocktail für starke Knochen und festes Bindegewebe! Schon 50 g Vogelmiere decken den Vitamin C-Tagesbedarf eines Erwachsenen. Ihr hoher Zink-Gehalt gewährleistet eine gesunde Zellteilung, was sich u.a. in einem frischeren Hautbild äußern kann. Ihren Inhaltsstoffen entsprechend, wird sie bei Erschöpfung und starker Übermüdung empfohlen. In der Signaturenlehre würde man hier den „Hühnerdarm“ ins Treffen führen, nach dem sie auch benannt ist. Es handelt sich um einen zähen Faden, der oft stehen bleibt, wenn man den Pflanzenstiel abbricht. Diese Zähigkeit entspricht der Standfestigkeit, die sie als Nahrungs- und Heilpflanze schenken soll; und zwar hinsichtlich viralen und bakteriellen Infekten und frostiger Kälte.
Als Heilkraut wird sie also bei entzündlichen Erkrankungen der Atemwege und bei Hautproblemen eingesetzt, aber auch bei Rheuma. Sie sollte nicht getrocknet und höchstens ganz sanft erhitzt werden. Als Wildgemüse eignet sie sich hervorragend für Salate und aufgrund ihres auffallend feinen, milden Geschmacks, sogar als Hauptzutat. Fein gehackt dient sie als knackige Zutat für Aufstriche - und natürlich fein gemixt - für den grünen Smoothie.
Die Vogelmiere enthält viele Saponine, die die Darmwand durchlässiger machen für Wirk- und Nährstoffe. Aus demselben Grund sollte man es auch nicht mit ihr übertreiben. Die Darmschleimhaut hat schließlich auch Barriere-Funktion und darf nicht allzu durchlässig werden. Was „übertreiben“ in diesem Fall allerdings genau heißt, ist schwer zu sagen. Mehrere Handvoll Vogelmiere sind aber auf keinen Fall zu viel. Größere Mengen auf einmal sind ohnehin kaum zu schaffen.
Löwenzahn - Taraxacum officinale
„Piss-en-lit“, wie er auf Französisch heißt, sagt schon eine Menge über den Löwenzahn aus; auf Österreichisch auch „Bettpisser“ oder „Soach-Bleaml“. Er ist einer der effizientesten Blutreiniger, weil er die Ausscheidungstätigkeit der Niere stark anregt. Daraus ergibt sich, dass er bei Nierenschwäche nicht kurmäßig angewendet werden darf!
Sein wissenschaftlicher Name, „Taraxacum“, stammt vom arabischen „tarak-shaqum“ und bedeutet „bitteres Kraut“. Wie alle bitteren Kräuter, ist er ein ausgesprochenes Lebermittel und daher ein potenter Entgifter. Das ist für die Wechseljahre insofern von Bedeutung, weil der Hormonhaushalt gegenüber Umwelt- und andere Giften besonders empfindlich ist. Aus demselben Grund wird, z.B. bei Fruchtbarkeitsstörungen und unregelmäßiger Menstruationsblutung, zu Entgiftungskuren geraten. Ein unbelasteter, „aufgeräumter“ Stoffwechsel ist die beste Voraussetzung für ein möglichst nebenwirkungsfreies Klimakterium.
Auch der Löwenzahn wird am besten roh genossen. Als steirischer „Röhrlsalat“ mit Kürbiskernöl und, im Optimalfall, ein wenig Bärlauch, ist er Nahrung und Heilmittel gleichermaßen. Dabei können alle Teile vom Löwenzahn verwendet werden; dass bestimmte Pflanzenteile giftig seien, ist eine Mär, die sich hartnäckig hält. Zu Heilzwecken nimmt man am besten die Wurzel. Sie ist in jeder Apotheke erhältlich und wird für Kaltansätze und Tinkturen verwendet.
Gänseblümchen - Bellis perennis
„Bellis“ heißt „die Schöne“, und „perennis“ bedeutet „das ganze Jahr“. Das winzige Blümchen kann fast zu jeder Zeit im Jahr erblühen, wenn das Wetter nur eine Zeit lang halbwegs mild ist. In freier Natur findet man es kaum, eher in Gärten. Es mag, wie auch der Löwenzahn, Wiesen, die häufig gemäht bzw. beweidet werden. Sein englischer Name „Daisy“ kommt von „day‘s eye“ - Tagesauge.
Womit auch schon die erste Indikation angesprochen ist: Das Gänseblümchen verleiht eine „klare Sicht“, es reinigt Haut und Schleimhäute und somit auch das Auge. Das strahlende Gelb im Zentrum der Korbblüte ist nichts anderes als eine Ansammlung von Carotinoiden. Diese wirken erstens zellschützend und sind zweitens für den Sehvorgang von Bedeutung. Wenn also die Augen um die Lebensmitte herum müde werden, ist das Tagesauge eine gute Helferin.
Um diese Wirkungen zu erzielen, können die kleinen Blüten - und auch schon die Knospen - als rohes Wildgemüse allen kalten Speisen beigemengt oder auf die fertige Suppe gestreut werden. Als Heilanwendungen bieten sich Aufgüsse (Tees) und Tinkturen an. Innerlich angewendet, wirken sie schleimlösend, blutreinigend, stoffwechselanregend und leicht abführend - also alles in allem ein belebendes, reinigendes Tonikum.
Das Tausendschönchen wird in seiner Wirkung auch mit der Ringelblume verglichen. Es ist ebenso hautregenerierend wie diese, da es den Hautstoffwechsel anregt und das Unterhaut-Bindegewebe festigt. In der Homöopathie wird Bellis bei Wechselbeschwerden und nach Unterleibsoperationen eingesetzt, bzw. allgemein bei Wundschmerzen und Blutergüssen.
Ich hoffe, ihr habt jetzt sogenannte "Unkräuter" neu entdeckt.
Eure Gerit
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Gerit Fischer