Tabuthema Wechseljahre?
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Keiner Frau bleiben sie erspart, früher oder später ereilen sie jeden: die Wechseljahre. Hitzewallungen, Gewichtszunahme, schaflose Nächte und hormonelle Achterbahnfahrt inklusive. Öffentlich wird selten darüber gesprochen. Die Wechseljahre scheinen nach wie vor ein Tabu zu sein. Warum ist das so?
Im asiatischen und afrikanischen Kulturraum stellt der Eintritt in die Menopause für Frauen hinsichtlich ihrer gesellschaftlicher Stellung ein Gewinn dar. Autorität und Anerkennung steigen und sie kümmern sich, da ihre Stimmen ein starkes Gewicht haben, oft um gesellschaftspolitische Belangen. Diese Frauen sehnen sich die Wechseljahre daher nicht selten regelrecht herbei und begrüßen die Entwicklung, dass sie nun das gebärfähige Alter endlich hinter sich lassen können. Eine anstrengende Lebensphase - gefüllt mit oft als unangenehm erlebten Monatsblutungen, den Körper belastenden Schwangerschaften und schmerzhaften Geburten - ist nun vorüber. Obwohl Wechseljahresbeschwerden auch Frauen in außereuropäischen und -amerikanischen Kulturkreisen nicht fremd sind, scheinen sie in der Regel deutlich weniger darunter zu leiden: Japanerinnen beispielsweise kennen keine Hitzewallungen. Trotz der Unterschiedlichkeit im Empfinden des Klimakterium ist bei allen Frauen das biologische Geschehen aber prinzipiell das Gleiche: zwischen Mitte 40 und Mitte 50 stellen die Eierstöcke nach und nach die Produktion weiblicher Hormone ein und der Östrogenspiegel sinkt. Bevor man selbst davon betroffen ist, weiß man im Normalfall nicht allzu viel darüber. Die körperlichen Veränderungen während des Wechsels und alles, was dazugehört sind klassischer Stoff für Tabuisierungen.
Bye-bye, Fruchtbarkeit
Prinzipiell wirken sich die einschneidenden Veränderungen des Hormonhaushalts unterschiedlich aus. Sie lassen sich aber grob in drei Gruppen unterteilen: Ein Drittel hat richtig Ärger mit dem Wechsel. Ein Drittel verspürt hie und da Wehwehchen. Und ein Drittel bemerkt kaum bis gar nichts. So oder so, sind die Wechseljahre von Frauen körperlich und psychisch geprägt. Anzunehmen, dass dabei immer nur die leidigen Hormone einer Frau zu schaffen machen, wäre aber falsch. Gefürchtet ist auch die für viele ganz reale Abwertung als Frau, nach dem Motto: eine Frau, die ihre Fruchtbarkeit verloren hat, ist keine vollwertige Frau mehr und daher auch aus erotischer Sicht uninteressant. Deswegen wollen Frauen nicht gerne in die Wechseljahre kommen und wenn es soweit ist, noch weniger gern in der Öffentlichkeit darüber sprechen. „Die Wechseljahre, das ist so eine Schublade, in die man Frauen ab einem bestimmten Alter gerne steckt. Man fühlt sich dann ein bisschen so wie ein Lebensmittel, das langsam aber sicher abgelaufen ist.“, bringt eine Betroffene ihre Gefühle diesbezüglich ziemlich gut auf den Punkt.
„Diagnose Wechseljahre“ als Standarderklärung
Wenn Frauen in der Lebensmitte unter körperlichen oder seelische Beschwerden leiden und im Familien- oder Freundeskreises darüber sprechen, werden die Wechseljahre gerne vorschnell zur Wurzel alles Übels erklärt. Auch Ärzte sind vor einem vorschnellen Urteil, welches den Wechsel zum Sündenbock macht nicht gefeit. Befinden sich Frauen in einem bestimmten Alter, ist die „Diagnose Wechseljahre“ die Standarderklärung, für alles, was gerade schief läuft. „Hormone werden dir schneller verschrieben, als dass du blinzeln kannst. Und die Ärzte machen einem da mundtot. Selbst wenn man ernsthaft krank ist, heißt es erstmal immer nur Wechseljahre, Wechseljahre, Wechseljahre, ... irgendwann kann man das einfach nicht mehr hören und hört einfach auf darüber zu reden. Die Wechseljahre sind nämlich keine Krankheit“, meint eine Befragte, die sich wünscht, dass Frauenärzte ernsthafte gesundheitliche Beschwerden nicht immer automatisch dem Phänomen der Wechseljahre zuordnen, nur weil die betroffene Patientin das passende Alter dafür hat.
Mehr als eine Frau im Wechsel
Selbst, wenn Frauen ihre Wechseljahre mit starken körperlichen und seelischen Begleiterscheinungen erleben und sich das stark auf die Lebensqualität auswirkt, so dreht sich doch nicht alles nur darum. Eine Befragte ärgert sich über den Zusammenhang zwischen dem Wechsel und der Frage, was sich am gesellschaftlichen Klima für Frauen in der Lebensmitte ändern soll und erklärt: „Mehr als eine Frau im Wechsel, bin ich doch einfach eine Frau. Und Frauen haben es in unserer Gesellschaft immer noch um einiges schwerer als Männer. Damit meine ich nicht nur so Dinge, wie dass wir weniger verdienen. Ich meine die Erwartungshaltung der Gesellschaft. Frauen sollen Karriere machen, aber auch irgendwann Kinder kriegen und dazu am besten noch ihr Leben lang wie 20-jährige Topmodels aussehen. Egal was ist, es wird erwartet, dass wir immer funktionieren und parieren. Ich wünsche mir mehr Verständnis dafür, dass Frauen auch nur Menschen und keine Maschinen sind. Und das idealerweise schon, bevor es in die Menopause geht.“