Soulsister oder Konkurrentin?
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Wie bringen wir endlich mehr Gelassenheit und Zufriedenheit in die Beziehungen zu unseren weiblichen Kolleginnen, Freundinnen und Bekannten? Dazu haben wir Life-Coach Alexandra Lennartz und Wechseljahre-Expertin Verena Gehrig befragt. Ihre informativen und persönlichen Antworten liefern wertvolle Impulse für mehr Glück und Anerkennung statt Missgunst und Neid. So geht gelebte Sisterhood!
© Andrii Zastrozhnov, stock.adobe.com
Sich mit anderen zu vergleichen, ist der Nährboden für unangenehme Gefühle wie Neid, Missgunst, Kritik. Dennoch fällt es uns oft schwer, es nicht zu tun. Warum? Wie sieht es mit der Stutenbissigkeit aus, ein Klischee oder Realität? Und kommt mit den Jahren vielleicht gar die gewünschte Gelassenheit? Wir haben dazu Life-Coach Alexandra Lennartz (Bild li.), sie unterstützt Frauen dabei, mehr Leichtigkeit, Zufriedenheit und Power in ihr Leben zu bringen, und Coach Verena Gehrig (Bild re.), die Schweizerin hat sich auf Themen rund um die Wechseljahre spezialisiert, befragt.
Alexandra Lennartz Verena Gehrig
Das Interview
Warum macht das ständige Vergleichen mit anderen nicht glücklich?
Alexandra: „Bereits im Babyalter werden wir durch Messen und Wiegen verglichen. Sind wir groß genug? Schwer genug? Wie ist unser Kopfumfang? Das setzt sich so weiter mit Durchschlafen, Krabbeln und Laufen und später in der Schule werden wir mit Noten verglichen. So ist es also gar kein Zufall, dass das Konkurrenzdenken in unserer Gesellschaft ziemlich ausgeprägt ist. Gerade wir Frauen vergleichen uns gerne mit anderen Frauen und kommen so sehr schnell darauf, dass es immer Frauen gibt, die schöner, schlanker, wortgewandter, gebildeter, beliebter, etc. sind. Diese Liste lässt sich beliebig fortsetzen - je nachdem worauf man seinen Fokus richtet.
Und genau an der Stelle fängt der Frust an! Denn Vergleich ist das Ende vom Glück. Wer sucht, findet immer jemanden, der in irgendetwas besser ist und solange man seinen Selbstwert auf diese Vergleiche baut, wird man niemals zufrieden und erfüllt sein. Der einzige Grund weshalb ein Vergleich sinnvoll sein könnte ist, wenn man sich dadurch selbst motiviert. Ansonsten empfehle ich, sich nicht mit anderen zu vergleichen, sondern höchstens mit sich selbst und zu sehen, wo man selbst schon vorangekommen ist. Der Vergleich mit anderen Personen hinkt immer, da jeder Mensch eine andere Geschichte hat und an einem ganz anderen Punkt in seinem Leben steht. Deshalb ist das nicht vergleichbar. Mein Impuls: Schau du, wie DU bist, wie DU lebst und folge genau dem, was zu dir passt und für dich richtig ist. Denn dann bist du DU und nicht eine Kopie von irgendjemandem.“
Verena: „Wenn es eine Anleitung zum unglücklich sein geben würde, stünde das Vergleichen mit anderen ganz oben auf der Liste. Wir vergleichen uns mit Menschen, die unserer Meinung nach weiter, besser, schöner oder reicher sind. Nicht weniger als perfekt. Auch wenn es das nie geben wird. Es gibt gefühlt immer jemand, der besser ist oder der mehr hat. Also schneiden wir im direkten Vergleich immer schlechter ab, in unseren Augen. Neid und mangelndes Selbstbewusstsein können dazu verleiten, andere zu kopieren. Auch wenn wir immer nur eine schlechte Kopie sein können. Denn das sind nicht wir. Wir sind immer das beste Original, weil es uns auf der ganzen Welt nur ein einziges Mal gibt. Wir können uns alles, was wir haben und die glücklichsten Momente kaputt machen, wenn wir denken, dass andere das bessere Los gezogen haben. Und wir tun immer unrecht, wenn wir z.B. unsere Kinder untereinander vergleichen oder den eigenen Partner. Bestenfalls kann ein Vergleich ein Impuls sein, eine Inspiration und ein Ansporn. Der Vergleich kann eine Sehnsucht in uns wecken und Mut machen. Weil es zeigt, dass ein Ziel zu schaffen ist. Aber auf dem eigenen Weg dorthin, wie zum Beispiel in einer Biografie: einen Menschen, den wir bewundern für etwas was er tut oder ist. Oder wir vergleichen uns mit uns selbst, vor fünf oder zehn Jahren.“
Welche Tipps hast du um Glück & Anerkennung statt Missgunst & Neid zu fühlen?
Alexandra: „Es ist allem voran einmal sehr wichtig, sich selbst zu leben. Viel zu oft leben wir auf die Art und Weise, wie es unsere Eltern und Großeltern getan haben ohne es zu hinterfragen. Und wenn wir drüber nachdenken, dann tun wir das, weil "man es eben so macht". Es ist normal z.B. morgens zu frühstücken, am Tisch zu essen, in einem Bett zu schlafen und so zu sein, wie "man" und die Gesellschaft es von einem erwartet. Aber wer ist dieser "man"? Wenn sich für uns etwas überhaupt nicht gut anfühlt, sollten wir uns trauen, es einfach mal anders zu machen und reinzuspüren, wie sich das anfühlt. Spürt man Leichtigkeit ist dies der richtige Weg für uns. Anerkennung von außen haben wir alle ganz besonders gerne. Damit bekommen wir Bestätigung und fühlen uns gesehen und wertvoll. Dagegen ist grundsätzlich auch gar nichts einzuwenden, doch letztendlich werden wir nur wirklich glücklich, wenn wir in unserem Inneren fühlen und spüren, dass wir wertvoll und genug sind. Das ist ein Punkt, auf den ich in meinen Coachings auch ganz besonderen Wert lege, denn schlussendlich ist der Wert, den wir uns selbst beimessen, der Wert der unser ganzes Denken, Handeln, Fühlen und damit unser ganzes Leben beeinflusst. Missgunst und Neid sind ganz niedrigschwingende Gefühle. Wenn man sich lange mit diesen Gefühlen beschäftigt, zieht man solche ähnlichen Sachen an. Glück ist dann Fehlanzeige. Deshalb lieber mit Liebe und Wohlwollen auf andere schauen und vielleicht auch mal Interesse an anderen Personen, die anders sind, haben. Das ist Potenzial für Wachstum, was nicht da wäre, wenn nicht mal über den Tellerrand geschaut wird.“
Verena: „Tipp 1, Mindsetarbeit/Persönlichkeitsentwicklung: Wenn wir Selbstvertrauen haben, uns selbst bewusst sind, achten, lieben und annehmen lernen, dann können wir uns auch über andere freuen und sie anerkennen. Es geht immer von Innen nach Außen. Wenn ich glücklich bin und das Leben lebe, das ich mir wünsche, kann ich auch anderen ihr Glück gönnen und ihren Erfolg anerkennen. Tipp 2, uns leben: Das heißt das Leben führen, das wir uns wünschen und die Frau leben, die wir in Wahrheit sind. Tipp 3, uns reflektieren: Wir sind wahrscheinlich nie ganz gefeit vor Vergleichen und auftauchenden Gefühlen wie Missgunst und Neid, zum Beispiel in Dingen, die wir neu tun und wichtig für uns sind. Bei mir war es so, dass ich meine Texte immer wieder mit denen anderer Coaches verglichen habe. Die für mich so viel besser und auf den Punkt schreiben können. Die viel schneller, viel weiter sind als ich. Wenn wir eine Tätigkeit neu anfangen, sind wir einfach unsicherer. Das müssen wir nicht verdrängen oder wegmachen, sondern fühlen. Wenn wir uns unserer Trigger bewusst sind und verstehen, was sie mit uns zu tun haben, sind sie Geschenke und Wegweiser für unser Leben. Denn was uns trifft, betrifft uns. Tipp 4, erkennen – fühlen - verstehen – verändern: Wir sollten genau hinschauen, mit welchen Menschen wir uns umgeben.“
Inwiefern verändert sich das weibliche Konkurrenzdenken im Alter?
Alexandra: „Sehr pauschal gesagt, glaube ich, dass im jüngeren Alter schon häufiger Zickenkrieg vorherrscht. Das erlebe ich auch aktuell in der Klasse meiner Teenietochter unter den Mädels. Durch mehr Lebenserfahrung und wachsende Toleranz, denke ich, dass mit zunehmendem Alter dies abnehmen kann. Viele Frauen im mittleren oder höheren Alter haben sich bereits mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt. Dies beginnt oft mit 40. Der Trend geht aktuell jedoch auch bereits bei jüngeren Frauen los. Wer sich erfolgreich mit sich selbst und seinem eigenen persönlichen Wachstum beschäftigt wird das Konkurrenzdenken mehr und mehr ablegen und auch offener für andere Menschen und Lebensarten sein. Solange man mit sich selbst und seinem Leben unzufrieden ist, wird man andere Frauen als Konkurrenz sehen und zum Beispiel versuchen mit Lästern seinen eigenen Selbstwert zu steigern, was natürlich auf diese Weise total unsinnig ist. Das kann man nur in seinem eigenen Inneren finden.“
Verena: „Also da kann ich nur von mir und meinem Umfeld reden. Tatsächlich war hier das Konkurrenzdenken nie sehr ausgeprägt. Ich bin sicher gelassener und selbstbewusster als früher und stehe mehr zu mir. Ich kann Dinge viel besser und mutiger ansprechen, bin mir bewusster mit all meinen Stärken und Schwächen. Ich bin stolz darauf, was ich alles erlebt und überstanden habe. Durch die Wechseljahre kam auch die schmerzhafte Auseinandersetzung mit meinem Älter werden und das Frieden schließen mit Verletzungen aus der Vergangenheit. Ich bin viel bewusster und mehr in meiner Mitte als früher. Ich bin mir (meistens) gut genug, muss nicht mehr perfekt sein. Ich gehe meinen Weg und nehme meine Träume und Bedürfnisse ernst. Ich gehe viel liebevoller mit mir um und weiß viel mehr, was ich wirklich will. Das alles hilft, mit sich im reinen zu sein und nicht mehr vergleichen und konkurrenzieren zu müssen. Und ganz wichtig: Ich muss nicht mehr jedem gefallen – was für eine Befreiung! Das Außen wird weniger wichtig. Der Blick ins Innere wichtiger… Eigentlich habe ich nur zwei Entscheidungsmöglichkeiten: Ich kann verbissen ewiger Jugend nachrennen und verzweifeln im Vergleichen, oder lernen mich selbst anzunehmen und zu mögen. Nicht 24/7 aber mehrheitlich. Es ist ein Weg.“
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Woran merken wir Frauen echte Solidarität?
Alexandra: „Echte Solidarität spüren wir Frauen, wenn uns wohlwollende Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft entgegengebracht wird. Das erlebe ich immer wieder z.B. in Gruppencoachings, wo man sich gegenseitig unterstützt und die Erfolge der anderen feiert. Doch auch im normalen Alltag kommt mir dies oft entgegen. Ein Schritt, dies zu fördern ist, auch auf andere mit Freundlichkeit und Wohlwollen zuzugehen, denn so hat man die besten Chancen, dasselbe zurückzubekommen. Selbst eine missmutige Verkäuferin kann so ganz schnell in eine andere Stimmung gebracht werden. Je mehr Menschen sich unterstützen und wertschätzend miteinander umgehen, desto friedvoller wird das allgemeine Miteinander. Das beschränkt sich schlussendlich natürlich nicht nur auf Frauen.“
Verena: „Wenn wir uns gegenseitig unterstützen, Mut machen, füreinander da sind, uns zuhören und wirklich zeigen, helfen und nicht übernehmen, uns gemeinsam auf den Weg machen, uns zusammentun in Kooperationen. Nicht mehr dieses «ich muss alles alleine schaffen.» Wenn wir aufhören, über andere schlecht zu reden. Ich habe in meinen Coachingausbildungen und in Business-Mentoringprogrammen nach 50ig bis heute viele tolle Frauen kennengelernt, die Sisterhood leben, andere habe ich losgelassen.“
Stutenbissigkeit: Ein Klischee oder Realität? Wie ist deine Meinung dazu?
Alexandra: „Stutenbissigkeit ist mir zwar ein Begriff, doch ich habe ihn gerade noch mal extra gegoogelt, bevor ich dazu etwas sage. Er bezeichnet das aggressive und hinterhältige Verhalten gegenüber der Konkurrenz - quasi um den eigenen Rang klarzumachen. Ich denke, so etwas kommt in extremen Konkurrenzsituationen zwar immer mal wieder vor, aber ich würde nicht sagen, dass es an der Tagesordnung ist. Letztendlich geht es uns allen besser, je mehr wir wertschätzend und respektvoll mit unserem Umfeld umgehen. Damit fühlen sich alle wohler und das ist doch genau das, was wir möchten.“
Verena: „Es gibt sie, keine Frage. Es fängt damit an, dass wir hintenrum über andere Frauen reden, uns vergleichen oder neidisch sind, andere klein machen oder ausbremsen müssen. Aber nach meinem Empfinden wird sie immer weniger. Wir sind heute viel bewusster und kommunikativer, selbstbewusster. Ich spüre viel mehr den gemeinsamen Aufbruch von Frauen. Das ist eine so große und positive Kraft. Das macht Mut für kommende Generationen und für eine bessere Welt.“