Positive Aging – Das Geheimnis erfolgreichen Alterns
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Dies ist der zweite Teil unserer Reihe zum Thema "Positives Altern". Hier gelangst du zum ersten Teil: Sind wir wirklich zu alt dafür? Warum Frauen ab 40 sich plötzlich unsichtbar fühlen.
Lustvoll durchs Leben – und das auch noch im hohen Alter. Ein Ziel, das die meisten von uns haben. Doch wie erreicht man das, trotz innerer und äußerer Hindernisse? Wir haben uns mit dem Trend des "Positive Aging" etwas genauer auseinandergesetzt.
Das Geheimnis erfolgreichen Alterns
Ja, der Prozess des Älterwerdens kann herausfordernd sein. Vor allem, diesen anzunehmen. Plötzlich schmerzen einem Stellen, über deren Existenz man sich nicht einmal bewusst war. Und für die meisten von uns, ist das Älterwerden auch an Verluste geknüpft. Ein Verlust vielleicht, der physischen Vitalität, von äußeren Attributen, Energie oder auch Freunden und zum Teil ein Verlust von Sinnhaftigkeit oder einer Lebensaufgabe. Dinge, die einen früher angetrieben haben, sind vielleicht plötzlich nicht mehr so wichtig und eine Neu-Orientierung findet statt.
Zu einem großen Teil reagiert unsere Gesellschaft derzeit noch mit Verdrängung auf diese natürlichen Prozesse. In unserer westlichen Welt wird die Jugend hochgehalten und das Alter schlichtweg versteckt. Wir denken nicht darüber nach oder versuchen alles mögliche, um den Prozess des Alterns aufzuhalten. So erhofft man sich, das Älterwerden irgendwie aufzuhalten und die Spuren der Vergänglichkeit zu mildern. Ein Kampf, den wir nicht gewinnen können. Cathleen Toomey, Autorin des Buches „Das Geheimnis des erfolgreichen Alterns“ meint, es sei jedoch zu einfach, die negative Haltung gegenüber dem Alter(n) rein auf den Stellenwert, den die Jugend in unserer Gesellschaft einnimmt, zurückzuführen. Sie nennt noch zwei weitere Gründe. Die Angst vor dem Tod und die Orientierungslosigkeit. Denn unsere Lebenserwartung ist mittlerweile so hoch wie noch nie. Über 100 Jahre alt zu werden ist gar nicht mehr so unwahrscheinlich, die meisten von uns werden zumindest die 85 erleben.
Medizin Populär schreibt dazu bereits vor ein paar Jahren: „Verantwortlich dafür ist nicht zuletzt die ausgeklügelte ärztliche Kunst. [Dank medizinischer Innovationen werden wir] immer älter und können die schlimmsten Begleiterscheinungen eines längeren Lebens mildern. Diese phantastischen Leistungen verleiten allerdings zu einer gefährlichen Ansicht: dass Altern selbst im Grunde eine Krankheit ist, die man besiegen kann.“
Die Problematik ist, so Toomey, dass wir nicht wissen, wie wir die Zeit füllen sollen, wie wir leben werden, wenn wir einmal wirklich alt sind und vor allem, wie wir vorsorgen können, um auch im Alter ein erfülltes Leben führen zu können.
Was können wir nun tun, um die negative Haltung zu wandeln, unsere Angst vor Verlusten, vielleicht sogar einige der Verluste selbst zu stoppen?
„Positives Altern“ oder auch „Happy Aging“
Ein Ansatz, der dabei helfen soll, für sich selbst, ganz individuell, eine positivere Haltung gegenüber dem Alter(n) einnehmen zu können und damit lange gesund und zufrieden zu bleiben, ist der des Positive Agings. Ein holistischer Blickwinkel, der alle Aspekte des Lebens und Älterwerdens in den Fokus nimmt. Egal ob physische, emotionale, soziale, spirituelle oder kognitive Veränderungen und Bedürfnisse.
Positives Altern erkennt die möglichen Herausforderungen des Älterwerdens genauso an, wie die möglichen positiven Veränderungen und das persönliche Wachstum im späteren Leben. Es steht für einen selbstbewussten Umgang mit dem eigenen Alter und bricht mit all den genannten Konventionen. Die Perspektive sieht den Prozess des Alterns als etwas normales und natürliches, als das, was es letztlich auch ist.
Es geht dabei nicht etwa darum, das Alter zu glorifizieren und es zu etwas zu machen, das es nicht ist. Es soll vielmehr dazu anleiten, das Leben in all seinen Formen und Facetten anzunehmen und zu genießen. Positiv zu altern soll außerdem bedeuten, sich und dem eigenen Körper zu jeder Zeit im Leben genau das zu geben, was man braucht, um ein gutes Leben führen und sich gut fühlen zu können.
Was positives Altern genau bedeutet, wird auf der Welt ganz verschieden definiert. Hier 3 kurze Zusammenfassungen:
England
Eher die Art, wie man lebt, statt das, was man ist.
Neuseeland
Positives Altern reflektiert die Einstellungen und Erfahrungen, die ältere Menschen über sich selbst haben und, wie die jüngeren Generationen den Prozess des Alterns wahrnehmen. Es inkludiert dabei die Gebiete Gesundheit, finanzielle Sicherheit, Unabhängigkeit, Selbstverwirklichung, persönliche Sicherheit und die Situierung der älteren Menschen in der Gesellschaft.
Japan
Japanische Konzepte des Alterns finden ihre Wurzeln in buddhistischen, konfuzianischen und taoistischen Traditionen, die das Alter mit Reife charakterisieren. Das Alter ist hier als sozial wichtiger Teil des Lebens oder auch als “Frühling” oder “Wiedergeburt” nach einer Zeit des Arbeitens und der Kindererziehung beschrieben.
Einige Grundprinzipien des Konzepts des positiven Alters sind:
- Das Anerkennen, dass das Älterwerden ein normaler und natürlicher Teil des Lebens ist
- Die Realität des Älterwerdens akzeptieren, statt sie zu bekämpfen
- Die Überzeugung, dass Altern eine positive und segensreiche Erfahrung sein kann
- Das Annehmen und Umarmen von Veränderung
- Sich um die eigenen physischen, emotionalen, kognitiven, spirituellen und sozialen Bedürfnisse zu kümmern
- Sich Flexibilität über das ganze Leben bewahren und Ziele & Sinn neu zu definieren
Zum einen gibt es also den physisch-gesundheitlichen Aspekt des Positiven Alterns, zum anderen den psychisch-gesundheitlichen.
Dass das Konzept des positiven Alterns nicht einfach aus der Luft gegriffen ist, belegen zahlreiche Studien. So wurde herausgefunden, dass allein die innere Haltung gegenüber des Alter(n)s bereits positive Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Laut Yale Studie lässt sich damit das Leben sogar um bis zu 7.5 Jahre verlängern.
In einer weiteren Studie, untersuchte man jene 5 Räume, in denen die Menschen mit der höchsten Lebenserwartung leben (die sog. „blue zones“). Dazu gehören Japan, Griechenland, Italien, Costa Rica und Kalifornien. Es sollte herausgefunden werden, was all diese Menschen gemeinsam haben und, was wir möglicherweise davon lernen können.
Hier fand man heraus, dass das lange Leben offenbar auch auf einer Simplizität, einer „Kunst des Weglassens“, beruht. So konzentrieren die Menschen sich in diesen Gebieten auf hochwertige, naturbelassene Nahrungsmittel der Region und der jeweiligen Jahreszeit, sowie kleinere Portionen. Sie integrieren moderate Bewegung in ihr Leben, vermeiden jedoch Extremsport. Außerdem sind sie Meister der Stressbewältigung und behalten sich nicht nur eine Neugier für das Leben und neue Fähigkeiten, sondern auch eine positive Grundhaltung dem Leben gegenüber.
Ein weiterer grundlegender Faktor, der festgestellt wurde, sind soziale Beziehungen. Ein Punkt, der in anderen Gebieten der Welt leider zu oft vernachlässigt wird. So schrieb die New York Times über eine "Epidemie der Einsamkeit" unter älteren Menschen, während das Forbes Magazine Einsamkeit sogar als höheres Gesundheitsrisiko als Übergewicht oder Rauchen einstuft. Und es ergibt Sinn, schließlich sind wir Menschen sehr soziale Wesen, warum sollte dabei das Alter eine Rolle spielen? Sozial flexibel bleiben, sich nach dem Arbeitsleben möglicherweise ehrenamtlich engagieren oder neuen Hobbies nachzugehen, kann daher gerade im Alter die seelische und physische Gesundheit fördern.
Zusätzlich zu all dem wurde noch ein weiterer Schlüsselfaktor gefunden, der ein langes gesundes und ausgeglichenes Leben ermöglicht: Sinnhaftigkeit. Das, was die Japaner Ikigai nennen. Frei übersetzt könnte man auch sagen "das, wofür es sich zu leben lohnt."
Beim Ikigai geht es nicht darum, wie man sich aktuell fühlt, ob man glücklich ist oder nicht, sondern darum, wie man in die Zukunft schaut. Als junger Mensch weiß man meist relativ genau, was man vom Leben will. Karriere, Familie, Reisen, Selbstverwirklichung, … Hat man ein gewisses Alter erreicht, sind die meisten dieser Dinge entweder bereits erfüllt oder treten erneut auf die Bühne. Toomey meint „wenn die Kinder aus dem Haus sind und die Arbeit vorbei, heißt das nicht, dass auch dein Leben vorbei ist. Es ist nur eine neue Phase, welche dir die Möglichkeit gibt, einen neuen Sinn, eine neue Aufgabe zu finden.“
Das Ikigai teilt sich in 4 Gebiete auf, welche auch gerne als Kreise dargestellt werden.
Im ersten geht es darum, was du liebst: Was tust du gerne? In welchen Tätigkeiten gehst du voll auf oder bist von ihnen begeistert? Was interessiert dich so brennend, dass du dein Wissen und deine Fähigkeiten darin unbedingt vertiefen möchtest? Bei welchen Aktivitäten fühlst du dich ganz im Hier und Jetzt und verbunden mit der Welt? Wann empfindest du Freude im Leben?
Der zweite Kreis beschäftigt sich damit, worin du gut bist: Was kannst du? In welchen Bereichen weißt du mehr als der Durchschnitt? Wann hast du das Gefühl Durchblick und Können zu besitzen? Welche Dinge gibt es, die du anderen beibringen könntest? Und welche Ressourcen und Metafähigkeiten hast du, um dich weiterzuentwickeln?
Der dritte Kreis fragt danach, was die Welt braucht: Was sind aus deiner Sicht die wichtigsten Dinge, die in deiner Umgebung fehlen oder von dem es zu wenig gibt? Vor welchen Problemen steht die Gesellschaft? Was würdest du dir für deine Mitmenschen wünschen?
Und der vierte fordert dich auf, zu überlegen, wofür du bezahlt werden kannst oder, was deine Berufung ist: Wovon lebst du im Augenblick? Welche deiner Fähigkeiten oder welche Aspekte davon erkennt die Gesellschaft (finanziell) an? Wo gibt es Potenzial, dass Menschen ein Interesse für deine Tätigkeiten entwickeln könnten? Wofür wären sie bereit, Geld auszugeben?
Dort wo sich all die Fragen kreuzen, liegt das Ikigai.
Quelle: karlhosang.de/ikigai/
Ein langes, gesundes und glückliches Leben ist also durchaus möglich. Etwas Arbeit ist es immer und unsere Einstellungen und Gewohnheiten von heute auf morgen ändern, können wir auch nicht einfach so. Unsere Serie zum Thema soll einen Anstoß dazu liefern, gelassen und positiv in die Zukunft zu schauen.