Mehr Herz als Verstand. Warum wir unseren Bauch nicht ignorieren sollten.

Mehr Herz als Verstand. Warum wir unseren Bauch nicht ignorieren sollten.

Vermutlich kennst du es - du stehst vor einer großen Entscheidung, hast Für und Wider abgewogen, Freunde befragt und letztlich die richtige Entscheidung getroffen. Müsste man meinen. Trotzdem sagt etwas tief in dir drinnen, eine kleine Stimme: "Nein, das war's nicht." Sie mag nicht rational begründbar sein, doch du weißt, du solltest ihr vertrauen. Deiner Intuition.

Heutzutage fällt es nicht immer leicht, dem Bauchgefühl zu folgen, da wir von klein auf darauf trainiert werden, besser den Verstand zu verwenden. Auch ist es angenehmer, Entscheidungen vor sich selbst und vor allem vor den Mitmenschen rational rechtfertigen zu können. Problematisch wird das nur eben dann, wenn wir vor einem Scheideweg stehen, an dem rein rationale Entscheidungen nicht möglich sind oder aber uns in einer unerklärbaren inneren Unzufriedenheit widerfinden.

Verstand und Emotionen ergeben das perfekte Zusammenspiel

Natürlich können wir Entscheidungen nicht nur aus dem Bauch treffen. Unsere Emotionen sind schließlich leicht zu beeinflussen und oft nur eine Momentaufnahme. Unsere Grundstimmung kann dann Auslöser für Emotionen sein, die dem eigentlichen Bauchgefühl nicht entsprechen.

Einfacher gesagt: Fühlen wir uns gut, wird unsere Welt bunt und heiter, fühlen wir uns schlecht, ist alles grau. So sollte man möglichst keine wichtigen Entscheidungen aus einem Stimmungstief treffen, genauso wenig aber aus einem Stimmungshoch.

Davon ausgenommen sind Situationen, in denen unser Urinstinkt handelt. Gehen wir beispielsweise durch eine dunkle Gasse und haben das Gefühl, nicht alleine zu sein, handeln wir im Affekt, um uns zu schützen.

Uns rein auf den Verstand zu verlassen ist allerdings auch nicht der richtige Weg. Denn ohne Gefühle könnten wir gar keine rationalen Entscheidungen treffen.

Ein Kopf ohne Herz funktioniert nicht.

Dass das rationale Denken ohne Emotionen aufgeschmissen ist, wurde erst relativ spät, in den 1980ern, erkannt. Damals wurden einige Studien mit Menschen, die die Fähigkeit zur emotionalen Wahrnehmung verloren hatten, durchgeführt. Das bekannteste Beispiel ist Elliot, ein Patient des Neurowissenschaftlers António Damásio. Ein außergewöhnlicher Patient. Einige Monate zuvor war diesem ein Tumor aus dem Gehirn operiert worden und damit auch ein kleines Stück des Stirnlappens. Nach dem Eingriff erschien Elliot zunächst unverändert. Sein Denken und Handeln funktionierte augenscheinlich wie zuvor. Doch - aus dem leistungsfähigen Mann war ein chronischer Zögerer geworden. Er grübelte stundenlang über Entscheidungen, um sie dann scheinbar willkürlich zu treffen. Bald darauf stellte man fest, dass Elliot seine Gefühlswelt fast vollständig abhanden gekommen war. Der Grund aus dem er sich nicht mehr entscheiden konnte war, dass sich für ihn jede Wahl gleich anfühlte. Nach nichts.

                                  "Wer denken will, muss fühlen." - Bas Kast

Damásios Entdeckung kam völlig unerwartet. Von der Antike bis ins 20. Jahrhundert hatte die Meinung geherrscht, Menschen würden gänzlich rational entscheiden. Gefühle stören dabei nur. Damásios Erkenntnisse brachten jedoch eine neue Wahrheit zutage: Ohne Gefühl ist der Verstand hilflos.

Intuition ist keine Willkür

'Weibliche Intuition' wird häufig als etwas esoterisches, unwissenschaftliches abgetan. Doch entgegen dieser Meinung sind Gefühle neben dem Verstand eine eigene Form von Intelligenz. So haben wir ein zusätzliches emotionales Erfahrungsgedächtnis, aus dem sich das Unterbewusstsein bedient. Daher stammen neben Urinstinkten, auch so manche Gefühle wie Ängste, die durch Erfahrungen in der Kindheit ausgelöst werden. Erleben wir etwas, das uns bewusst oder unbewusst an eine positive Erfahrung erinnert, reagiert der Körper mit positiven Reaktionen wie Gänsehaut, Wärme oder einem Kribbeln und wir nehmen ebenso positive Emotionen wahr. Auf negative Erfahrungen folgen automatisch Empfindungen, wie ein dumpfer Druck, Übelkeit oder Zittern. António Damásio bezeichnet solche Reaktionen als somatische Marker. Sie sind Rückmeldungen aus dem Unterbewusstsein, die auf unterschiedlichen Erfahrungen beruhen und dienen als innerer Kompass, der anzeigt, wie wir handeln sollen, um uns wohlzufühlen.

Nicht alles Wissen erfordert somit reines intellektuelles Denken und nicht immer liefern Für-und-Wider-Listen die richtige Antwort. Manche Entscheidungen lassen sich nicht einfach erklären, sie fühlen sich einfach richtig an.

Was, wenn du den Zugang zu deiner Intuition verloren hast?

Eigentlich kommen wir mit einer starken inneren Führung zur Welt. Kinder folgen immer dem, was sich im aktuellen Moment gut und richtig anfühlt. Im Laufe des Erwachsenwerdens wird jedoch mehr der Verstand betont. Die innere Stimme wird immer leiser. Psychologin Maja Storch meint, dass dies vor allem mit den Elternbotschaften, die wir verinnerlichen zu tun hat. Sätze wie "Das bildest du dir ein." oder "Sei nicht so empfindlich", würde viele Menschen bereits als Kinder darauf trimmen, die Bauchsignale zu ignorieren. Andere übergingen wiederum ihr Bauchgefühl und damit sich selbst, indem sie ihr eigenes inneres 'Nein' einfach ignorieren. Das kann im schlimmsten Fall auf Dauer sogar krank machen. Als Erwachsene wollen wir uns die Intuition und Selbstbestimmung daher zurückerobern.

Hören wir nie auf unseren Bauch, handeln wir immer gegen uns selbst.

Wie du deinen Bauch wieder hörst

Wenn die Gedanken laut sind und du deine innere Stimme nicht wahrnehmen kannst, hilft es, Stille in die Situation zu bringen. Dich für einen Moment von der Außenwelt zu trennen und dich nur auf dich zu konzentrieren. Ob durch einen Spaziergang im Wald, Meditation oder auch ein paar Tage gänzlich ohne äußere Einflüsse wie Social Media oder Freunden und Familie - hauptsache den Kopf frei bekommen. Denn, um den Bauch sprechen zu hören, benötigst du zuerst Information und dann eine Zeit der Ruhe. Das bedeutet auch, sich in dieser Zeit bewusst nicht mit der Fragestellung zu beschäftigen. Denn je länger man sich mit einem Problem beschäftigt und das Gehirn mit weiteren Informaionen füttert, desto weniger hat die innere Stimme eine Chance, zu Wort zu kommen. Man verliert den Überblick.

Das stärkt deine Intuition:

  • Körperimpulse wahrnehmen
    Meistens teilt uns der Körper mittels körperlicher Reaktionen genau mit, wenn sich etwas gut oder schlecht anfühlt.

  • Gelassenheit üben
    Je mehr man sich dazu zwingen will, etwas zu fühlen, desto weniger wird man es tatsächlich tun. Also immer mit der Ruhe.

  • Meditieren und Achtsamkeit
    Beides soll dabei helfen, sich besser wahrzunehmen, zur Ruhe zu kommen und so die innere Stimme zu stärken.

  • Feedback einholen
    Was denken andere über die Optionen? Zu welcher tendiert ihr Bauchgefühl? Wie hat sich die Situation nach der Entscheidung gelöst? Lag das Bauchgefühl richtig?

 

Das hindert deine Intuition:

  • Negative Gefühle und Gedanken
    Insbesondere Ängste, Zorn oder Minderwertigkeitsgefühle verzerren die Wahrnehmung oder lassen die innere Stimme gänzlich verstummen.

  • Erwartungen und Wünsche
    Denn sie führen dazu, dass man sich schnell einmal etwas so zurechtdenkt, wie man es eigentlich gerne hätte. Egal ob es realistisch ist oder nicht.

  • Gute oder schlechte Laune
    Wie bereits beschrieben, verändern Stimmungen die Wahrnehmung ins Positive oder Negative. Günstig ist hingegen eine unaufgeregte, ausgeglichene Stimmung.

  • Starke rationale Kontrolle
    Hindert die Intuition wertzuschätzen. Diese wirkt dann schnell abwägig oder nicht sinnvoll.

Was, wenn Bauch und Verstand zu einem unterschiedlichen Ergebnis kommen?

Maja Storch meint, hier käme es auf das richtige Selbstmanagement an. Man kann sich zusammenreißen und das Gefühl übergehen oder aber die Signale ernst nehmen, sich ein wenig mehr Zeit geben und eine Entscheidung treffen, die auch das Gefühl miteinbezieht. Das würde auf Dauer nicht nur glücklicher, sondern auch gesünder machen.

Als Tipp zur Entscheidungsfindung empfiehlt die Psychologin außerdem, die einzelnen Gefühle voneinander zu trennen und zu bewerten. Dies helfe vor allem Menschen, die sich schwertun, ihre Gefühle wahrzunehmen oder sie, z.B. innerhalb einer Liebesbeziehung, richtig einzuordnen. Dazu solle man die Gefühle in eine Skala von 0 bis 100 für positive, bzw. 0 bis minus 100 für negative Gefühle einteilen. Ein schwaches negatives Gefühl liegt dann bei minus 20, ein starkes positives bei plus 85. Beides sollte man auf Papier aufzeichnen.

Die besten Entscheidungen entstehen dann, wenn wir beide Systeme miteinander abgleichen. Als Faustregel lässt sich empfehlen, zu zwei Dritteln dem Bauch und zu einem Drittel dem Kopf zu folgen, um kurzfristige Gefühle der Unlust zu überwinden.

Komplexe Entscheidungen erfolgen am besten in 2 Schritten:

1. Bewusst Informationen sammeln und zur Expertin werden.

2. Der Intuition Zeit geben und aus dem Bauch heraus entscheiden.

Nehmen wir uns diesen Rat zu Herzen, fällt das Entscheiden und der Weg zum Glück schon leichter.

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