Kick it, like Brigitte!
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Ihr Lachen steckt an und ihre Augen leuchten, gleichzeitig strahlt sie Ruhe und Gelassenheit aus. Sie ist eine Frau, die vom Leben alles gleichzeitig serviert bekommt:
Gerade in Bildungskarenz bei einer Weiterbildung, mit dem Plan, sich selbstständig zu machen, stirbt plötzlich ihr Lebensgefährte. Brigitte lernt sich und ihren Körper neu kennen, sie lernt, sich anzunehmen und wagt den Sprung ins kalte Wasser und zieht um. Wie sie ihr intensives Leben meistert und was ihr hilft, erfahrt ihr bei uns.
Wann hast du bemerkt, dass du im Wechsel bist?
Den ersten Verdacht hatte ich mit ca. 44, also vor 4 Jahren, vermutlich hat der Wechsel aber schon davor begonnen.
Mit welchen Symptomen warst du konfrontiert?
Stimmungsschwankungen. Die hatte ich zwar davor auch schon (PMS) aber sie wurden auf einmal massiv. Der Intervall meiner Tage hat sich verschoben, ich hab auf einmal nicht mehr genau gewusst, wann die Tage, und damit auch das PMS, kommen. Am Kinn wachsen mir auch mehr Haare als vorher. Später kamen noch Schmerzen in der Brust und Einschlafschwierigkeiten dazu.
Wie hat dein Umfeld auf deine Beschwerden reagiert?
Eigentlich musste ich da mehr oder weniger alleine durch. Meine Freundinnen waren schon verständnisvoll, ich habe aber auch bemerkt, dass der Wechsel als Thema ein Tabu zu sein scheint. Als ich einfach einmal so in die Runde gefragt habe, wie es ihnen mit dem Wechsel denn so geht, waren sie zuerst etwas irritiert. Sie haben danach aber auch von ihren Erfahrungen berichtet. Mir haben Gespräche mit Frauen im gleichen Alter gut getan. Es war erleichternd, zu hören, dass es ihnen – natürlich ganz anders – und doch ähnlich geht.
Haben sich deine Haare durch den Wechsel verändert?
Eigentlich hatte ich immer Locken. Seit dem Wechsel werden meine Haare jedoch glatter und die Locken scheinen in Wellen auf und verschwinden dann wieder. Mein Eindruck ist, dass sich der Gemütszustand in den Haaren widerspiegelt. Natürlich fühle ich mich mit Locken besser und attraktiver, aber mittlerweile kann ich es ganz gut annehmen, dass die Haare eben sind, wie sie sind. Dadurch habe ich auch weniger emotionalen Stress.
Was war besonders schwierig für dich?
Kurz nach meinem 45. Geburtstag ist mein Lebensgefährte ganz plötzlich verstorben. Der Schock und die Trauer hat bei mir plötzlich den Wechsel mit ganz starken Symptomen einsetzen lassen.
Ich war in dieser Zeit von meinem Beruf als Sozialberaterin in Bildungskarenz, hatte gerade meine neue Ausbildung als Lebens-und Sozialberaterin angefangen, mit dem langfristigen Ziel, eine eigene Beratungseinrichtung aufzumachen. Ein halbes Jahr später hatte ich die Möglichkeit, die Selbständigkeit als Trainerin für Menschen mit Lernschwierigkeiten zu beginnen.
Was war also schwierig? Ich hatte alle Bälle in der Luft, aber dazu die argen Stimmungsschwankungen. Zuerst befürchtete ich, ich wäre manisch-depressiv geworden, hab mich austesten lassen und Psychopharmaka ausprobiert, die auch nicht wirklich hilfreich waren. Über den Wechsel hat da noch niemand mit mir geredet.
Vielleicht ist es (jetzt im Rückblick nach dreieinhalb Jahren) eine klassische Entwicklung des Wechsels: Ganz neu anzufangen. Ich kann nicht sicher sagen, ob es ohne den Tod meines Partners genauso gewesen wäre, wahrscheinlich anders, milder. Der Umbruch hat schon vorher begonnen, die Entscheidung für die Ausbildung und die Selbständigkeit anzugehen. Und in dem ganzen Chaos hüpften meine Gefühle von oben nach unten, konnte ich manchmal nicht schlafen, mein Körper war nicht mehr zuverlässig.
Mit wem hast du dich ausgetauscht z. B. Freundinnen, beim Gynäkologen oder Hausarzt?
Mit Freundinnen, mit meiner Gynäkologin, das war hilfreich! Der Hausarzt in meinem neuen Wohnort war eine Enttäuschung.
Haben sich die Wechselbeschwerden auf dein berufliches oder privates Umfeld ausgewirkt?
Ja, schon. Ich konnte nicht so gut konzentriert arbeiten.
Privat war es auch sehr aufregend, ich habe einen neuen Partner kennen gelernt. Stell dir mal vor, du beginnst eine neue Beziehung und bist gerade mitten im Wechsel. Mein Bild von mir als Frau hat sich total verändert und ich bin mir immer noch nicht sicher, wie ich mich jetzt sehe.
Wie hat dein neuer Partner darauf reagiert?
Er ist auch schon 55 und weiß, dass Frauen in meinem Alter anders aussehen und sich anders anfühlen als Frauen in ihren Zwanzigern. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit, dass er mit dem Älterwerden umgehen kann. Dass es im Wechsel immer wieder Phasen gibt, die anstrengend sind, ist ihm ebenfalls bewusst und er unterstützt mich, wenn ich ihn brauche.
Empfindest du dich seit dem Wechsel anders? Hat sich deine Selbstwahrnehmung verändert?
Ja, weil ich jetzt zwar im Wechsel bin, aber auf keine typische „Frauenkarriere“ zurückblicken kann. Irgendwie kann ich mich noch nicht so genau einordnen. Ich habe keine Kinder und nie geheiratet, das ist für Frauen meiner Generation vielleicht noch eher ungewöhnlich. Es existieren nicht so viele Lebensmodelle für kinderlose, unverheiratete Frauen, von denen man sich schnell abschauen könnte, wie es geht. Auch mache ich immer wieder die Erfahrung, dass der Wechsel immer noch ein Thema ist, das eher hinter vorgehaltener Hand besprochen wird.
Denkst du, seit du im Wechsel bist, über eine Lebensveränderung nach? Möchtest du eine große Reise machen zum Beispiel, oder den Beruf wechseln? Bist du vielleicht umgezogen?
Ja, ich bin tatsächlich umgezogen und ich habe mit dem Fußballspielen begonnen.
Wo spielst du Fußball?
Jeden Mittwoch im Prater auf der Jesuiten-Wiese, in der wilden Liga beim Team Soccer Sissis. Das Besondere an der wilden Liga ist, dass jeder mitmachen kann. Verschiedene Vereine haben sich zusammen geschlossen und eine Voraussetzung ist, dass die Teams gemischt sein müssen. Hier werden wirklich Traditionen gebrochen. Heute ist es ja nichts Ungewöhnliches mehr, wenn Frauen Fußball spielen. Als ich ein Schulkind war, wäre niemand auf die Idee gekommen, Mädchen Fußball spielen zu lassen. Das war ganz klar ein Sport, der für Buben reserviert war.
Die Leute in der wilden Liga sind im Schnitt ca. 30 Jahre alt. 40+ ist nicht so stark vertreten, was ich sehr schade finde!
Können andere Frauen mitmachen, wenn sie jetzt Lust auf Fußball bekommen haben?
Ja, am besten, sie gehen auf die website der wilden Liga in die Fußballerinnenbörse. Alle gemischten Teams brauchen Frauen, damit sie an Matches teilnehmen können. Die meisten Mannschaften sind total cool und das Training ist immer recht lustig.
Ich habe mit meinen teilweise nicht mehr ganz so jungen Kollegen und Kolleginnen über die Bildung eines "Oldie Teams" diskutiert, zumindest fürs Training. Falls sich Frauen (40+) dafür interessieren, einmal gelassen Fußball zu spielen, sollen sie sich bei mir melden, und ich schau, ob ich jemanden organisieren kann, der oder die mit uns trainiert.
Hast du zum Abschluss noch einen Wohlfühl-Tipp für die „Leidensgenossinnen“?
Bewegung finde ich unheimlich wichtig. Spazieren gehen. Ich bin täglich mindestens eine Stunde durch die Au gegangen, manchmal auch länger. Ich habe Bäume umarmt, Vögel beobachtet, geatmet, und irgendwann ebnet sich etwas innen drinnen ein, und Klarheit kommt. Yoga war fein, und ich habe jetzt begonnen, zu meditieren. Das hilft mir, meine Empfindungen wahrzunehmen, sie freundlich anzusehen und aus meiner inneren Mitte ruhig und freundlich mein Leben zu leben.
Ich ziehe selbst Kräuter, aus denen ich mir nach Lust und Laune meinen Tee selbst mische: Rotklee, Salbei, Käsepappel, Königskerzenblüte und ganz viel anderes. Ich finde es auch total angenehm, meinen Körper nach dem Duschen mit Massageöl ausgiebig zu massieren.
Der Austausch mit anderen Frauen kann ebenfalls sehr hilfreich und erleichternd sein. Genauso, wie auch einmal über die Wechselbeschwerden zu lachen. Wichtig ist, die Veränderungen anzuerkennen und ernst zu nehmen, und sie dann nicht zu ernst zu nehmen.
Wer jetzt Lust auf "Kick it, like Brigitte" hat, meldet sich bei uns, wir leiten den Kontakt sehr gerne weiter.
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Bildquelle:
ibodon